Die Volkslieder sind ein musikalischer Schatz
Fragen an Cord Garben (Musikalischer Leiter des Kulturvereins Pinneberg und Musiker).
Pinneberger Tageblatt - 22. Oktober 2017 - von Lars Zimmermann

"Es gibt mindestens drei musikpolitische Sünden", sagt Cord Garben, musikalischer Leiter des Kulturvereins Pinneberg. (Foto: tas)

Musikalischer Leiter des Kulturvereins Pinneberg, Musiker, Dirigent und Autor – Cord Garben ist in vielen Bereichen aktiv. Im Sonntagsgespräch erklärt er unter anderem, warum er von der Politik enttäuscht ist.

Warum unterstützen Sie den Kulturverein Pinneberg?
Mein Bruder hat den Kulturverein viele Jahre geleitet und ich habe ihn zunächst musikalisch beraten, weil ich ihm als Profi wertvolle Tipps geben konnte. Im Laufe der Zeit habe ich dann die Gestaltung des Musikprogramms übernommen – eine Aufgabe, die mir nach über einem Jahrzehnt immer noch Freude bereitet.

Sie sind auch Präsident der Johannes-Brahms-Gesellschaft Hamburg. Was ist Ihre Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Es bringt einfach Spaß, mit netten, niveauvollen Menschen zusammenzuarbeiten. Zudem ist unsere Gesellschaft auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Ohne diesen Einsatz würde es vieles nicht geben, was wir als selbstverständlich erachten.

Wie können Sie Ihre Kontakte und Fähigkeiten einbringen?
Indem ich für abwechslungsreiche Programme mit guten Künstlern sorge. Gerade die Abwechslung ist wichtig. Streichquartette, Klavierabende - jeder hat ganz unterschiedliche Vorlieben. Wenn die Mischung stimmt, kommen auch die Besucher. Wir haben derzeit immerhin ca. 100 Abonnenten.

Gerade ist Ihr Buch „Am Glück vorbei - Kunst und Schicksal legendärer Pianistinnen“ herausgekommen. Was ist das Besondere an dem Werk?
Es ist eine musikhistorische Neuigkeit. Es gab bislang zwar ausführliche Einzel-Biogra-fien von einigen Künstlerinnen. Damit wurde aber nur ein kleiner Kreis der berühmtesten Pianistinnen erfasst. Ich widme mich neben den Großen besonders denen, die nicht so berühmt sind und über die es bisher kaum etwas zu lesen gab - sozusagen neben der Champions- auch der Europa-League. Mein Anliegen war es dabei nicht, umfangreiche Analysen über das Spiel der einzelnen Musikerinnen vorzulegen. Ich wollte ein Buch für Menschen schreiben, die gerne klassische Musik hören und nicht unbedingt Musikprofis sind.

Was fasziniert Sie an Musikgeschichte?
Sie ist unendlich spannend. Ich finde es einfach faszinierend, mich damit zu beschäftigen, was Genies wie Johann Sebastian Bach, Beethoven oder auch Wagner geleistet haben. Sie haben in einem Jahr etwas geschaffen, was unsereiner in seinem ganzen Leben nicht könnte.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich Musik?
Der Klarinettist der Hamburger Philharmoniker Christian Seibold und Garben am Klavier beeindruckten mit Schottischen Bildern von Carl Loewe. „Wir können ihnen garantieren, dass sie dieses Stück noch nicht kennen“, versprach Garben. Wie vom preisgekrönten Produzenten angekündigt, erinnerten die Stücke von Loewe an Werke aus der mittleren Schaffensperiode Beethovens.

Was waren die Höhepunkte Ihrer musikalischen Laufbahn?
Ein Höhepunkt war sicherlich das Konzert in der Carnegie Hall mit Kurt Moll. Ein einzigartiges Erlebnis. Trotz allem war ich überhaupt nicht nervös. Bei Aufritten in größeren Sälen bin ich grundsätzlich weniger aufgeregt als im kleinen Kreis. Auch die Tourneen mit dem Pianisten Benedetti Michelangeli und dem NDR-Sinfonieorchester waren enorm spannend. Die letzte CD-Produktion mit Herbert von Karajan kurz vor dessen Tod hat mich ebenfalls sehr bewegt. Das Aufregendste waren aber wohl die Opern-Produktionen an der New Yorker MET.

Hat die Musik aus Ihrer Sicht einen ausreichenden Stellenwert in der Gesellschaft?
Nein. Es gibt mindestens drei musikpolitische Sünden. Die Klassische Musik wird erstens in den Medien immer mehr als Fingerfood gereicht. Zweitens ist es ärgerlich, dass die musikalische Bildung an den Grundschulen überwiegend falsch läuft. Aus meiner Sicht ist fatal, dass die Kinder nicht mehr lernen, Lieder zu singen. Der musikalische Schatz sind in jedem Land die Volkslieder. Durch sie bekamen die Kinder früher den ersten Zugang zu Tönen und Musik, die sich im Gehirn verankerten und ein Leben lang hielten. Das fällt inzwischen völlig weg. Stattdessen wischen sie auf dem iPad herum. Die Basis für ein Musikverständnis wird nicht mehr vermittelt. Die dritte Sünde ist, dass wir in Deutschland an den 27 Musikhochschulen unentwegt Sänger und Klavier-Solisten ausbilden, die niemals eine Stelle bekommen werden. Das ist in gewisser Hinsicht eine soziale Katastrophe, die maßgeblich der Deutsche Musikrat zu verantworten hat.

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