Konzertkritik
Konzert vom 14.10.2016 im Raatssaal
Matthias Kirschnereit in Pinneberg
Ein Botschafter für den Superstar
Pinneberger Tageblatt, 17. Oktober 2016
Klavierkonzert: Matthias Kirschnereit interpretiert Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Debussy, Chopin und Brahms als Kontrast.
Wenn er in die Tasten greift, dann lauscht alles gebannt – der Pianist Matthias Kirschnereit, bekannt aus Fernsehen und Radio, sorgte am Freitagabend beim zweiten Konzert des Kulturvereins Pinneberg (KVP) im Pinneberger Ratssaal für atemlose Stille.
So gut wie jeder einzelne Sitzplatz war belegt. Das freute die Vorsitzende des KVP, Gisela Bergner. Sie hieß die zahlreichen Besucher willkommen und teilte mit, dass sie auf die Moderation des Musikalischen Leiters, Cord Garben, an diesem Abend verzichten müssten – er war wegen Krankheit ausgefallen. Stattdessen wusste aber Kirschnereit einiges zu seinen Stücken zu erzählen.
Besonders der erste Komponist lag ihm am Herzen: „Ich fühle mich als Botschafter für Felix Mendelssohn Bartholdy. Er war ein Superstar seiner Zeit und unglaublich erfolgreich. Doch nach seinem Tod folgte eine furchtbare Rezeptionsgeschichte.“ In der NS-Zeit hatte es das Werk des Komponisten mit jüdischer Abstammung schwer. Von ihm spielte Kirschnereit das „Lied ohne Worte“ op. 67 Nr. 3 sowie die „Variations sérieuses“, gefolgt von Claude Debussys Stücksammlung „Images“ Band 1 und Frédéric Chopins Scherzo b-Moll op. 31. Natürlich ohne Noten, oft sogar mit geschlossenen Augen – Kirschnereit spielte intensiv und kraftvoll, entlockte dem Rathaus-Flügel einen brillanten Klang.
Und er setzte scharfe Kontraste: Passagen, in denen jeder einzelne Ton ganz klar zu hören war, setzte er ganze Phrasen aus einer einzigen verschwimmenden Bewegung – wie eine Kaskade aus Tönen – entgegen. Das passte wunderbar zu Debussys „Reflets dans l’eau“ (Reflexionen auf dem Wasser) mit seinem Plätschern über die gesamte Länge der Tastatur.
Die zweite Programmhälfte war allein der f-Moll-Sonate op. 5 von Johannes Brahms gewidmet. „Ich denke, dass
Brahms als 20-Jähriger in dieser Sonate sein Privatleben prophetisch vorhersah“, sagte Kirschnereit. Denn
dem lieblichen zweiten Satz liegt ein Liebesgedicht bei, das im späteren Intermezzo mit einem Trauermarsch
praktisch zu Grabe getragen wird. Im Finale findet sich dafür die Tonkombination f-a-e, die für Brahms’
Lebensmotto „frei, aber einsam“ stehen soll. Kirschnereit spielte das lange Werk genauso expressiv und
emotional wie den ersten Teil, gab im Finale noch mal alles. Die applaudierenden Zuhörer ließen ihn nach
diesem Auftritt nicht ohne drei Zugaben von der Bühne.
Felisa Kowalewski (Artikel/Foto)